Aktuell
Goethe und sein Schwager
Schon seit langem hat mich fasziniert, dass Goethes Schwager Christian August Vulpius ebenfalls Schriftsteller war – wenn er auch keine klassischen Meisterwerke, sondern nur literarische Massenware produzierte, von Goethe verächtlich als «Exkremente der Weimarischen Armut» bezeichnet. Immerhin gelang Vulpius mit dem Räuberroman «Rinaldo Rinaldini» einmal ein veritabler Bestseller. «Wie wäre es», habe ich mich gefragt, «wenn der Dichterfürst Goethe eines Tages unter Schreibstau litte und heimlich die Hilfe seines verachteten Schwagers in Anspruch nehmen müsste?»
Wenn einem so etwas einfällt, muss man es auch zu Papier bringen, und so entstand mein gerade erschienener neuer Roman, der die Literaturgeschichte auf vergnügliche Weise umschreibt. Aber eben: alles nur Rauch und Schall.
Danke, Nell!
Die meisten Verleger, die Übersetzungen meiner Bücher in ihr Programm aufnehmen, lernt man nie kennen. Bei Nelleke Geel ist das anders. Im Laufe der Jahre sind wir Freunde geworden – nicht nur, weil sie damals «Melnitz» in den Niederlanden zu einem Grosserfolg gemacht hat, sondern vor allem, weil sie einfach ein furchtbar netter Mensch ist.
Liebe Nell, ich wünsche Dir uns mir, dass auch «Halfbaard» in die Bestsellerlisten klettert!
Der Geschichtenerfinder
In der italienischen Ausgabe (Verlag SEM) hat «Der Halbbart» einen wunderschönen Titel bekommen: «L’inventore di storie», also «Der Geschichtenerfinder». Die Bezeichnung gefällt mir so gut, dass ich sie am liebsten als Berufsbezeichnung auf meine Visitenkarten (die ich nicht habe) drucken lassen möchte. «Geschichtenerfinder» klingt so viel besser als das doch recht prosaische Wort «Schriftsteller». Aber italienisch müsste es sein, eine Sprache in der man nicht einfach einen Roman geschrieben hat, sondern un romanzo.
Der Stotterer lernt arabisch
Im Verlag Al Arabi in Kairo erscheint «Der Stotterer» in arabischer Übersetzung. Es ist immer wieder spannend, einen eigenen Buchtitel in einer Sprache zu sehen, von der man noch nicht einmal die Buchstaben unterscheiden kann. Immerhin weiss ich jetzt, wie mein Name in arabischer Umschrift aussieht, nämlich so:
Kastelau liegt in Russland
«Kastelau» ist gerade in der Übersetzung von Michail Rudnitskiy auf Russisch erschienen – aber fragen Sie mich bitte nicht, wie man den Titel in dieser Sprache ausspricht. Im Zeitalter von Fake News passt ein Roman aus lauter gefälschten Dokumenten vielleicht ganz gut in Putins Reich.
In bester Gesellschaft
Der Literaturvermittler Charles Linsmayer hat unter dem Titel «19/21 Synchron global» eine Anthologie herausgebracht, die ausgewählte Texte literarischer Grössen aus den letzten hundertfünfzig Jahren versammelt. Es ist mir eine grosse Freude, in diesem «weltliterarischen Lesebuch», wie der Herausgeber es nennt, mit einem Ausschnitt aus «Melnitz» vertreten zu sein – vor allem, da ich der einzige lebende Schweizer Autor bin, dem diese Ehre zu Teil wurde. Mit von mir so verehrten Kollegen wie Gustave Flaubert, Franz Kafka oder Toni Morrison im selben Buch zu erscheinen – das ist schon etwas ganz Besonderes.
Einfach göttlich teuflisch
Der Diogenes Verlag hat meine schräge Adventsgeschichte «Der Teufel in der Weihnachtsnacht» neu herausgebracht, ergänzt durch eine zweite Geschichte, in der diesmal die himmlische Konkurrenz die Hauptrolle spielt: «Der liebe Gott beim Ortstermin». Enttäuscht von der Unbelehrbarkeit der Menschheit will Gott an Ort und Stelle nach dem Rechten sehen und für Ordnung sorgen – was ihm aber trotz seiner Allmacht gründlich misslingt. Vielleicht war es damals bei der Schöpfung doch ein Fehler, Homo sapiens nicht ein bisschen intelligenter zu machen…
Mein neues Lieblingszitat
«Ein Roman ist eine Maschine zur Erzeugung von Interpretationen.»
Umberto Eco
Moesie und Pusik
Da die Dinge, die man eigentlich nicht kann, immer am meisten Spass machen, wage ich ein halsbrecherisches Experiment: Ein Bühnenprogramm zusammen mit meinem Freund, dem Supermusiker und Liedermacher Markus Schönholzer. Wir verbinden Gedichte und Lieder, oder, besser gesagt: Wir bringen sie durcheinander. Darum auch der gemixte Titel «Moesie und Pusik». Der Inhalt unseres Programms lässt sich am besten so definieren: Markus Schönholzer singt Lieder, und Charles Lewinsky singt leider auch. Wer uns gern engagieren möchte, kann das gern über die Agentur Kulturelle Kontakte in Lindau tun: bea.marty@kulturellekontakte.ch
Und so sieht das Ganze auf der Bühne aus (Foto Ayṣe Yavaṣ):
Der Baum und ich
Seit einem Vierteljahrhundert schaue ich von meinem Arbeitsplatz auf denselben Baum. In all den Jahren ist er immer mehr gealtert, hat aber nach wie vor sehr lebendige Triebe. Der Fotograf Kostas Maros ist auf den Gedanken gekommen, mich davor zu fotografieren, und das Bild gefällt mir so gut, dass ich es gern teile. Vielleicht hat er das Motiv ja gewählt, um damit kurz vor meinem Fünfundsiebzigsten zu sagen: «Das Alter naht unerbittlich…»